Dieter Schmidt, Du verfolgst seit Eröffnung des Bleckeder Biosphäriums
die dortigen Vorgänge und Abläufe genaustens. Warum besteht die verantwortliche Leiterin Frau Schmidt auf Präsentation eines Pärchens? Laut LZ-Zeitungsartikel vom 13.05.2016 hofft Frau Schmidt "...dass die
Tiere..., im nächsten Jahr vielleicht sogar Nachwuchs bekommen." Im LZplay-Video äußert Frau Schmidt: "Wir mussten jetzt einen Tierwechsel vornehmen, weil wir zuletzt nur noch ein Weibchen hatten, ...und wir natürlich kein Tier auf Dauer hier alleine zeigen wollen, ...denn Biber sind
revierbildend...". Ist das denn so korrekt?
D. Schmidt: "Der letzte Teil der Aussage ist korrekt! Biber sind „revierbildend“ – aber es handelt sich immer
um ein Einzeltier, das als „Einzelkämpfer“ ein geeignetes Gebiet für sich erobert. An der Stromelbe sollte es 1-1,5 km Uferlänge aufweisen; entscheidend ist dabei das Angebot an Futterpflanzen, insbesondere ein genügender Bestand an ufernahem (ca. 25 m) Weichgehölz
als Winterfutter!"
Gibt es denn noch solche Reviere?
D. Schmidt: "Derartige Reviere sind an der Elbe mittlerweile bis ins Hamburger Stadtgebiet nicht mehr
frei! Somit bewirkt die erfolgte
„Auswilderung“ in der Elbe wahrscheinlich den Tod des „entsorgten Resttieres“, vor allem da momentan in allen Biberrevieren höchste Alarmstufe wegen des frischen diesjährigen Nachwuchses
herrscht."
Dieter,
welchen Zustand weist das „ausgewilderte“ Tier eigentlich auf?
D. Schmidt: "Nun, im LZplay Video freut sich die Tierärztin über den „ausgezeichneten
Zustand und das glänzende Fell“ des ausgewilderten Bibers. Aber hat sie sich auch die Zähne angeschaut? Das Tier hat sicherlich ein glänzendes Fell und ist wohlgenährt; das ist aber ein für
diesen Zeitpunkt ein völlig atypischer Zustand! Dieses Erscheinungsbild kann kein artgerecht lebender Biber im Frühjahr erreichen. Selbst dann nicht, wenn er sich in einem idealen Revier im
späten Herbst Winterspeck angefressen hat. Das Tier ist in keinem ausgezeichneten Zustand! Im Gegenteil, es ist feist, der dicke Bauch schleift über den Boden, der Zustand der Zähne ist fragwürdig. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird m.E.
in naher Zukunft ein Kadaver in einem Buhnenfeld dümpeln oder elbabwärts treiben."
Wie hätte denn eine
Auswilderung erfolgen müssen?
D. Schmidt: "Artgerecht wäre eine Auswilderung an einem biberfreien Gewässer mit schon
genannten Bedingungen (ca. 30 000 m² Grünfläche mit vielfältigem Pflanzenangebot). Dort wäre das Tier in der Lage stressfrei seine „neue Heimat“ entsprechend den eigenen Bedürfnissen zu
gestalten. Dann überlässt die Natur dem Zufall die weitere Entwicklung des Revieres. Kommt in den nächsten Jahren ein passender Partner vorbei, und "Mann/Frau" können sich gut riechen, nimmt das
Schicksal seinen Lauf. Falls das Revier es ermöglicht, kann das der Start einer grandiosen Biberdynastie sein. Diese wird in der Lage sein, ihre Bauten der jeweiligen Familiengröße und den
Rahmenbedingungen anzupassen – also optimal! Suboptimal wäre ein jahrelanges Junggesellendasein, was aber absolut artgerecht ist. Die Lebenserwartung in freier Natur beträgt 10-15 Jahre, ausnahmsweise können auch 25 Jahre
erreicht werden. Die gesamte Zeit ist das Tier mit seinem Los stressfrei, glücklich und zufrieden als „revierbildender Einzelgänger“, da er keinerlei Herdentrieb verspürt. Einzeltierhaltung ist
also durchaus artgerecht!"
Warum muss also ein neues Paar aus Zoohaltung, - kein Wildfang, kein Problemfall, wie im ursprünglichen Konzept vorgesehen – das
Einzeltier vertreiben? Soll durch erfolgreiche Nachzucht so die Qualität der Bleckeder Anlage dokumentiert werden?
D. Schmidt: "Dann wäre das Bibergehege auf einer Stufe mit der Wilhelma Stuttgart und dem Zoo
Wuppertal. In der Vergangenheit hat
Fr. Schmidt sich vehement gegen einen
Vergleich des Biosphaeriums mit Zooanlagen gewehrt. Im Juni 2014 hat sie bezüglich Ernährung der Biber folgendes geschrieben: „Weder wird in der Biberanlage abends gefüttert, noch führt die
Zufütterung mit Obst und Gemüse auch nur annähernd zu einer von Ihnen vermuteten Sättigung („kohlehydratreichem Gemüse“). Vielmehr handelt es sich um eine geringe, im Jahresverlauf,
unterschiedliche Zufütterung, wie sie z. B. auch im bisherigen (1996), wie im aktuellen Säugetiergutachten (2014) explizit für die Haltung von Bibern empfohlen wird … Das Hauptfutter ergibt sich aus dem täglichen Futterangebot in Form von Weide oder anderen Weichhölzern. Zudem ernährt sich das Tier vom natürlichen und vielfältigen
Aufwuchs an Kräutern, Gräsern und Schilfpflanzen in der Anlage. Somit ist ein großes Nahrungsangebot in Quantität wie Qualität (Nahrungsvielfalt) gegeben.“ Wirft man aber einen, übers Jahr verteilt, auch mehrere Blicke vom Turm aus auf das Freigelände (Grünfläche ca. 500 m² - kein
Weichholzbestand, die gepflanzten Bäume sind durch Drahtumwicklung gegen Biberbisse geschützt!!!!!), so muss man feststellen, dass zu keinem Zeitpunkt ein einzelnes Tier, geschweige denn ein Paar
auch nur einen geringen Teil seines täglichen Energiebedarfes dem Freigelände entnehmen kann. Fraßplätze im seichten Wasser, Wechsel zu Futtervorkommen sind nicht zu beobachten. Im Winter braucht
ein ausgewachsener Biber zur Deckung des täglichen Energiebedarfs ca. 1,5 kg abgenagte Weidenrinde, das bedeutet, dass er während der Nachtzeit (>12h) etwa 150-200 m fingerdicke Weidenzweige abnagen muss. Im
Freigehege lagen maximal 10 Meter pro Tag. Die Schneidezähne wachsen lebenslang nach. Falls ein Tier nicht durch Nagetätigkeit seine Zähne wetzt, werden diese zu lang und stumpf, die natürliche Nahrungsaufnahme ist
nicht mehr gewährleistet."
Danke Dieter, bitte noch ein Schlußwort zu der Thematik von Dir!
D. Schmidt: "Wie viele Biber müssen noch sterben oder „ausgewildert“ werden, bis die
Verantwortlichen endlich einsehen, dass ihre Konzeption weder den leidenden Bibern, noch dem zahlenden Gast gerecht werden?"